Startseite News Wie es der Zufall will: Biologin entdeckt plastikfressende Raupenart

Wie es der Zufall will: Biologin entdeckt plastikfressende Raupenart

von Elisabeth

Sie hat Löcher in die Plastiktüte gefressen, in der sie eigentlich entsorgt werden sollte. Die kleine Raupe nimmersatt oder vielleicht doch die Lösung für das globale Müllproblem? Die italienische Forscherin Federica Bertocchini hat eine Entdeckung gemacht, die unsere Welt auf natürliche Art und Weise sauberer machen könnte.

Eigentlich beschäftigt sie sich an der Universität Santander in Spanien mit Hühnerembryos. Doch in ihrer Freizeit ziehen andere Geschöpfe ihre Aufmerksamkeit auf sich: Bienen. Als die Wissenschaftlerin und Hobby-Imkerin ihre Bienenstöcke reinigen will, entdeckt sie kleine Larven. Sie gehören zur Gattung der Großen Wachsmotte, auch Galleria mellonella genannt und ernähren sich von Pollenresten. Die Raupen sind bedrohlich für den Bienenstock, da sie sich in den Honigwaben ausbreiten und den Lebensraum der Bienen zerstören, so Bertocchini. Deshalb entschließt sie sich kurzerhand, die Larven zu entsorgen – in einer Plastiktüte.

Kunststoff Polyethylen (PET) in unter 100 Tagen zersetzt

Als sie nach einiger Zeit einen Blick auf die Tüte wirft, fällt ihr auf, dass die Larven Löcher in die Tüte gefressen haben und heraus gekrochen sind. Dieses Ereignis bedeutete den Beginn der Forschungsarbeit der Wissenschaftlerin und ihres Teams. Im Laufe des Prozesses, konnten Ergebnisse festgestellt werden, die belegen, dass ca. 100 Wachsmotten-Larven in 12 Stunden um die 92 Milligramm einer Plastiktüte fressen können, die aus dem biologisch kaum abbaubaren Kunststoff Polyethylen (PET) besteht. Eine Plastiktüte, die ca. 20 Gramm wiegt, könnte in ungefähr 100 Tagen aufgefressen werden.

Suche nach eindeutigen Ergebnissen geht weiter

Bisher ist noch unklar, ob der schwer abbaubare Kunststoff Polyethylen komplett von den Raupen zersetzt werden kann. Die hohe Zersetzungsgeschwindigkeit könnte jedoch die Grundlage „biotechnologischer Anwendungen“ werden. Vermutet wird, dass dafür ein Enzym oder Molekül verantwortlich ist. Wenn dieser Fall eintreten sollte, könnte dieses Enzym gezüchtet und vervielfältigt werden, um Plastikmüll abzubauen. Sollte dies gelingen, sei das langfristige Ziel, Plastikmüll zu vernichten.

Nicht die erste Entdeckung dieser Art

Forscher des japanischen Kyoto Institute of Technology entdeckten andere Organismen wie Pilze oder Bakterien, die ebenfalls in der Lage seien, PET-Flaschen zu verdauen. Unter optimalen Bedingungen würde es ca. sechs Wochen dauern, ein kleines Stück PET zu zersetzen. Die Raupen der Großen Wachsmotte sind da deutlich schneller. Jedoch sollte man jetzt nicht schon zu euphorisch sein, bis kein genauer biologischer Mechanismus gefunden ist: „Es öffnet sich quasi gerade eine neue Tür – was sich dahinter befindet, werden wir noch erkunden.“

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1 Kommentar

Martin 27. Januar 2018 - 10:04 pm

Vorsicht, hier wird etwas gleich gesetzt, was keineswegs gleich ist: Polyethylen und PET sind NICHT dasselbe! Siehe z.B. die Infos zu Kunststoffe auf der Website der Verbraucherzentrale. Nicht das Kürzel PET, sondern das Kürzel PE steht für Polyethylen. PE gibt es in zwei Varianten: 1. PE-LD (=low-density, Recycling-Code 4) ist meist durchsichtig, daraus macht man dünne Plastikfolie und Plastiktüten. 2. PE-HD (=high-density, Recycling-Code 2) ist nicht durchsichtig, sondern milchig weiß oder dunkel gefärbt, daraus werden festere Verpackungen gemacht. Das Kürzel PET steht hingegen für Polyethylenterephtalat (Recyclingcode 1), es ist eine Polyesterart, also wesentlich reißfester als alle PE-Arten. Auch bei PET gibt es eine durchsichtige und weniger belastbare PET-Variante, die auch nur bis zu 60 Grad Wärme aushält. Daraus macht man z.B. Mehrweg- und Einweg-Getränkeflaschen (die dann alle die kaufen, die glauben, das Wasser oder Cola im Glas ja viel zu schwer, aber Bier im Glas natürlich nie zu schwer sein kann ;-)). Und eine stärkere, weiße oder dunklere PET-Variante, die deutlich stabiler ist. PET ist allerdings gesundheitlich wesentlich umstrittener als PE. Das liegt nicht nur an Antimon und Acetaldehyd. Obwohl auch PET offiziell keine Weichmacher (viele davon sind Hormongifte) enthält, stieß man an der Uni Frankfurt kürzlich auf eine unerwartet starke hormonelle Wirkung von PET auf Schnecken. Außerdem ist das Mikroplastik-Problem bei PET und Polyester wohl ein noch viel längerfristiges als bei PE, da es (in Form von Flaschen bzw. Kleidung) besonders oft ausgewaschen wird. Wir wissen leider noch viel viel zu wenig über PET.

Zurück zum Artikel: Es macht somit einen erheblichen Unterschied, ob die Raupe PE oder PET frisst. Und es ist in beiden Fällen vor allem interessant, was beim Stoffwechsel der Raupe dann chemisch hinten rauskommt. Denn das könnte unter Umständen sogar deutlich schlechter sein als wenn PE bzw. PET konsequent sachgemäß recycelt wird, was viel zu selten passiert.

Die bessere Lösung bleibt: Kunststoffe vermeiden, so oft es geht. 1. basieren sie auf dem fossilen Rohstoff Mineralöl, sind somit nicht regenerativ, 2. sind sie bisher nicht biologisch abbaubar, 3. ist nur ein sehr kleiner Teil derzeit wirtschaftlich recyclebar, weil ihre Produktion (auch im Vergleich zum Recyclingaufwand) viel zu billig sind, 4. sind sie ein unkalkulierbares Risiko für Umwelt und Gesundheit, mit unzähligen Unbekannten, weil ihre genaue chemische Zusammensetzung so gut wie nie deklariert wird und es viel zu wenige toxikologische Tests und politische Rahmenbedingungen gibt. (siehe z.B. Buch und Film „Plastic Planet“).

Die aktuelle Abschaffung der Plastiktüte in den Läden ist genau das richtige Signal, wenn auch erst ein Tropfen auf den heißen Stein, dem ein konsequenter Regen in allen Produktions- und Lebensbereichen folgen muss. Auch Biokunststoffe sind keine Lösung des Problems. Sie sind nur bedingt biologisch abbaubar und benötigen fast immer Weichmacher (plasticizers), die vielfach als Hormongift wirken. Und wenn es irgendwo tatsächlich nicht ohne Kunststoff geht, dann besser Geld für besseren teureren Kunststoff in die Hand nehmen, der nachweislich schadstofffrei ist, sortenrein ist und sich somit optimal recyceln lässt. Alles billige Plastik (und auch alles Mehrschicht-High-Tech-Plastik) fällt uns nur wieder auf die Füße und wir werden es wie eine zunehmende Plage nie mehr los.

Daran ändert auch eine Raupe nichts. Wer weiß: Vielleicht erzeugt sie aus größeren Stücken Plastik ja nur noch mehr Mikroplastik, das keine Filteranlage der Welt aus Meeren und Grundwasser mehr herausfiltern kann. Und dann?

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